Gelegentlich
treibt die Juristerei seltsame Blüten. So wie jene, die zwar bereits
im Jahr 2002 aufblühte, aber bis heute im Internet kursiert.
Es
geht um einen Tierhalterhaftpflichtfall, bei dem ein Kläger
Schadenersatz und Schmerzensgeld forderte, weil er von drei
Rauhaardackeln der Beklagten gebissen wurde. Die Beklagte erwiderte,
dass ihre Haftung ausscheide, weil der Kläger einen der Dackel zuvor
getreten habe und die anderen Dackel, die Tochter und Enkelin des
getretenen Dackels seien, sich durch den Tritt im Wege der Nothilfe
veranlasst gesehen haben, ihrer Dackelverwandten zu helfen.
Das
Verfahren scheint von beiden Seiten sehr exzessiv betrieben worden zu
sein, dies lässt zumindest der Inhalt eines Beschlusses vom
22.04.2002 vermuten, in dem es heißt:
„Die
Parteien werden darauf hingewiesen, dass dieses absolut ätzende
‚Horrorverfahren‘ bereits seit mehr als 1½ Jahren das AG
beschäftigt und sämtliche Dimensionen eines amtsgerichtlichen
Verfahrens sprengt; der Umfang von bisher 240 Seiten übersteigt
schon ein normales OLG-Verfahren; die Parteien reichen ständig neue
Schriftsätze ein, insoweit steht es inzwischen 16:11 für den
Kläger. Dadurch wird dem Gericht jede Möglichkeit einer
endgültigen, zeitaufwendigen Durcharbeit dieser entsetzlichen Akte
und für die Absetzung einer Entscheidung genommen. Da die Sache nun
wahrlich exzessiv ausgeschrieben ist, wird höflich darum gebeten,
von weiteren Schriftsätzen Abstand zu nehmen, mit Ausnahme von
konstruktiven Vergleichsvorschlägen, die allein noch sinnvoll wären.
…”
Am
Ende des Prozesses wurde dem Kläger ein Schmerzensgeld zugesprochen
und festgestellt, dass die Beklagte als Tierhalterin haftet, weil
einer der Rauhaardackel den Kläger unstreitig gebissen habe. In den
Entscheidungsgründen führt das Gericht hierzu aus:
„Die
Beklagte haftet als Tierhalterin gem. § 833 BGB auf Schmerzensgeld
in der zuerkannten Höhe, weil zwischen den Parteien nicht ernsthaft
im Streit ist, dass einer der Rauhhaardackel der Beklagten den Kläger
gebissen hat. Das Gericht lässt es hier ausdrücklich offen, ob
die drei Rauhhaardackel möglicherweise als Mittäter
entsprechend § 830 BGB, § 25 II StGB gemäß vorgefasstem
Beißentschluss gemeinschaftlich gehandelt haben, dies ist jedenfalls
nicht streitentscheidend.
So
scheidet jeweils eine terroristische
„Dackel“-Vereinigung gem. § 129a StGB
aus, weil keine der genannten Katalogstraftaten verwirklicht ist.
Andererseits ist nicht zu verkennen, dass die Dackel insgesamt eine
Großfamilie bilden, immerhin handelt es sich um Mutter, Tochter und
Enkelin, es besteht also durchaus eine enge verwandtschaftliche
Beziehung, der Solidarisierungseffekt ist groß. Das Gericht
vermochte aber nicht mit hinreichender Sicherheit festzustellen, dass
Dackeltochter und Dackelenkelin im Wege der Dackel-„Nothilfe“
ihrer angeblich angegriffenen Dackelmutter bzw. -oma zu Hilfe kommen
wollten, um diese vor den von der Beklagten behaupteten Tritten des
Klägers mit beschuhtem Fuß zu schützen. Insoweit konnte auch kein
- zwingend erforderlicher - Verteidigungswille bei den beiden
jüngeren Dackeln festgestellt werden. Auch für Sippenhaftgedanken
bzw. Blutrache haben sich keine
genügenden Anhaltspunkte ergeben.“ (Urteil des AG Offenbach – 39
C 6315/96)
Was
wir noch Jahre später belächeln, wird für die Prozessparteien
sowie für die leidgeprüften Richter tierischer Ernst gewesen sein.