Zwangsvollstreckung - RA Niessig

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Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung
Von Christine Niessig,
veröffentlicht im Porta Magazin Februar 2013

Ab dem 01.01.2013 tritt mit dieser Reform eine der größten Änderungen der letzten Jahrzehnte in Kraft, welche die Justiz entlasten und das Verfahren der Zwangsvollstreckung effektiver machen soll.
Die Zivilprozessordnung als Grundlage der Zwangsvollstreckung wurde bereits 1879 eingeführt und seitdem immer wieder den tatsächlichen Lebensumständen und Bedürfnissen der Schuldner einerseits und den Gläubigern andererseits angepasst. Am 01.01.2013 tritt mit der sogenannten "Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung" eine der größten Änderungen der letzten Jahrzehnte in Kraft. Der Gesetzgeber möchte das Verfahren der Zwangsvollstreckung effektiver gestalten und gleichzeitig die Justiz entlasten.

Im Wesentlichen geht es um folgende Änderungen im Verfahren:
Auch ohne gesonderten Auftrag ist der Gerichtsvollzieher zu jedem Zeitpunkt des Zwangsvollstreckungsverfahrens ermächtigt, eine gütliche Einigung zu erwirken. Er kann in einem vorgegebenen Rahmen ohne Rücksprache mit dem Gläubiger Ratenzahlungsvereinbarungen mit dem Schuldner treffen.

Künftig kann der Schuldner ohne vorherige Zwangsvollstreckung in das Sachvermögen zur Offenlegung seiner Vermögens- und Einkommensverhältnisse verpflichtet werden. Die sogenannte Vermögensauskunft ersetzt die Eidesstattliche Versicherung und wird in zentralen Registern je Bundesland hinterlegt. Die Auskunft eines Schuldners über seine Vermögensverhältnisse wird nun auf Veranlassung des Vollstreckungsorgans in einem elektronischen Dokument aufgenommen und in einer Datenbank beim jeweiligen Zentralen Vollstreckungsgericht hinterlegt. Dem Zentralen Vollstreckungsgericht, das in jedem Bundesland errichtet wird, obliegt die elektronische Verwaltung dieser Dokumente (Vermögensverzeichnisse). Darüber hinaus werden auch die durch die Schuldner abgegebenen Vermögensauskünfte direkt als elektronische Dokumente in dem bundesweiten Vollstreckungsportal verwaltet. Der Abruf dieser Vermögensverzeichnisse aus dieser Datenbank wird ist für ausgewählte Stellen (Gerichtsvollzieher, Vollstreckungsbehörden und weitere staatliche Stellen) länderübergreifend möglich. Die Sperrfrist der Vermögensauskunft beträgt ab dem 01.01.2013 nur noch 2 Jahre statt 3 Jahre.
Der Gerichtsvollzieher kann darüber hinaus Informationen von Dritten einholen. Als Informationsquellen dienen das Kraftfahrtbundesamt, die Rentenversicherungsträger sowie das Bundeszentralamt für Steuern, bei dem alle Daten über Verfügungsberechtigte von Bankkonten zusammenlaufen. Für die Aufenthaltsermittlung stehen dem Gerichtsvollzieher die Einwohnermeldeämter und das Ausländerzentralregister zur Verfügung. Über diese Drittquellen bekommt der Gerichtsvollzieher wichtige Daten über die wesentlichen Einkommens- und Vermögenspositionen des Schuldners oder über dessen Aufenthaltsort.

Die Zwangsvollstreckung wird künftig über zentrale Vollstreckungsgerichte in den jeweiligen Bundesländern organisiert.
Die örtliche und sachliche Zuständigkeit der Gerichtsvollzieher bleibt dagegen unverändert.

Die Einführung einheitlicher Formulare soll die Bearbeitung für die Gerichtsvollzieher vereinfachen und eine schnelle Durchführung des Zwangsvollstreckungsauftrags ermöglichen.

Freiwilligkeit statt Zwang
Die Vorzüge des Inkasso halten nun auch Einzug in die Zwangsvollstreckung. Auch im Rahmen der Zwangsvollstreckung wird ein Großteil der Forderungen durch Ratenzahlungsvereinbarungen, die der Gerichtsvollzieher auf Antrag mit dem Schuldner schließt, beglichen. Dabei überwacht der Gerichtsvollzieher die vereinbarte Ratenzahlung und setzt bei Ausbleiben einer Rate die Zwangsvollstreckung gemäß der Weisung des Gläubigers fort. In der Praxis enthält der Zwangsvollstreckungsauftrag in aller Regel eine Ermächtigung für den Gerichtsvollzieher, Ratenzahlungen zu vereinbaren und zu überwachen. Mit der Reform der Zwangsvollstreckung ist der Gerichtsvollzieher per Gesetz hierzu ermächtigt, ohne dass es einer besonderen Beauftragung bedarf. Er kann zu jedem Zeitpunkt und ohne Rücksprache mit dem Gläubiger Ratenzahlungen mit einer Laufzeit von zwölf Monaten vereinbaren. Möchte der Gläubiger dies nicht, so muss er die Ermächtigung explizit im Zwangsvollstreckungsauftrag ausschließen.

A vor Z - Aufklärung vor Zwangsvollstreckung
Der sequenzielle Ablauf des bisherigen Zwangsvollstreckungsverfahrens war ineffizient. Damit der Gläubiger Informationen über die wirtschaftliche Situation des Schuldners erhalten konnte, war vorher die Zwangsvollstreckung in das Sachvermögen des Schuldners erforderlich. Diese führte zwar in 100 Prozent aller Fälle zu Kosten für den Gläubiger, aber laut Statistischem Bundesamt nur in 0,1 Prozent zu einem verwertbaren Ergebnis. Daher ist es nur konsequent, von diesem starren und ineffizienten Verfahren abzurücken. Ab dem 01.01.2013 kann der Gläubiger wegen einer Geldforderung daher auf Antrag vor weiteren Zwangsvollstreckungsmaßnahmen zunächst die Abnahme der Vermögensauskunft verlangen. Neben den allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen sieht der Gesetzgeber keine weiteren Bedingungen hierfür vor. Diese niedrige Schwelle hilft, in einem sehr frühen Stadium möglichst viele für den Gläubiger wichtige Informationen über die Vermögens- und Einkommenssituation des Schuldners in Erfahrung zu bringen und dann gezielt die Zwangsvollstreckung zu betreiben.

Zwischenfazit
Das neue Zwangsvollstreckungsverfahren kommt in vielen Punkten den Bedürfnissen der Gläubiger näher, wird aber auch variantenreicher und komplexer.

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